Freud und Leid beim Heim-GP.
Luca Fischeder im Pech, dafür Jeremy Sydow auf Wolke sieben.
Das Finale der Enduro-Weltmeisterschaft 2022 fand am vergangenen Wochenende mit dem Klassiker „Rund um Zschopau“ statt und war somit ein echtes Heimrennen für Luca Fischeder vom Team Sherco Academy Deutschland von Marcus Kehr. Nach seinem Premierensieg in diesem Jahr in der Slowakei in der Juniorenklasse Junior 1 war der 23-Jährige aus Geringswalde natürlich besonders motiviert, doch am Ende standen für ihn zwei Mal null Punkte auf dem Zettel. Der Teamneuling Jeremy Sydow sprang für die Truppe des deutschen Rekordmeisters aus Flöha praktisch in die Presche und überzeugte bei seinem WM-Debüt mit den guten Plätzen sechs und fünf.
Für Luca Fischeder hätte „Rund um Zschopau“ 2022 das Saisonhighlight werden sollen, stattdessen war es ein ziemlicher Tiefschlag. Dabei hatte alles so gut angefangen. Beim Prolog am Freitagabend flog er nur so über den Parallelkurs und fuhr mit 1:59,77 Minuten die zweitschnellste Junioren-Zeit respektive die viertschnellste Zeit aller (WM-)Teilnehmer. Mit den Worten „… so gut war ich noch nie beim Supertest. Das war wirklich ein mega Start ins Wochenende …“ begann Luca Fischeder sein Resümee des Wochenendes.
Des Weiteren erklärte er, dass er beim unmittelbar vorangegangenen DM-Lauf in Streitberg sich den Fuß verdreht hatte, aber unter Adrenalin das Rennen noch zu Ende und dabei sogar zum erneuten Championstssieg gefahren ist. „Obwohl mir ein renommierter Physiotherapeut die Bänderdehnung mit Strom behandelt hat, wusste ich schon, dass es dieses Wochenende hart werden würde. Am Montag und Dienstag ging auftreten und Treppe steigen praktisch gar nicht, aber beim Prüfung ablaufen ist es durch die Bewegung sogar ein bisschen besser geworden. Am Freitag beim Prolog habe ich dann den Fuß so wenig wie möglich aufgesetzt und belastet.“
In diesem Stil ging es auch am ersten Fahrtag weiter, an dem er bis zur fünften Sonderprüfung mit zehn Sekunden Vorsprung das Gesamtklassement der Junioren und damit natürlich auch jenes seiner Klasse Junior 1 anführte. „Auf der sechsten Sonderprüfung hatte ich dann einen heftigen Abflug. Da bin ich mit dem Hinterrad an einen Baum geraten und habe mich überschlagen. Dabei wurde das Motorrad so stark beschädigt, dass nichts mehr ging. Der Crash war echt heftig, aber bis auf einige Prellungen habe ich kaum was abbekommen“, schilderte Luca Fischeder nach seinem frühen Aus.
Natürlich enttäuscht, aber mit neuem Kampfgeist ging er am Sonntag wieder an den Start. „Die Prellungen hier und da habe ich zwar noch gespürt, aber ansonsten hatte ich keine Einschränkungen und bin ganz gut reingekommen. Beim Crosstest (der dritten Sonderprüfung des Tages, Anm. d. A.) habe ich aber den schon lädierten Fuß wieder unglücklich aufgesetzt und verdreht, dass ich gleich gemerkt habe, dass wahrscheinlich nichts mehr geht. Ich bin zwar danach noch in den Service gefahren, habe eine Schmerztablette genommen und die nächste Etappe noch angefangen, habe dann aber gemerkt, dass es wenig Sinn macht, nur mit einem belastbaren Bein weiterzufahren. Dabei hätte ich die Verletzung vielleicht noch verschlimmert. Doch das wollte ich nicht riskieren, zumal in zwei Wochen das DEM-Finale ansteht.“ Dieses geht am 29. und 30. Oktober beim MC Woltersdorf am östlichen Stadtrand von Berlin über die Bühne und beinhaltet das Finale der Enduro-Europameisterschaft sowie der Deutschen Enduro Meisterschaft. In der DEM-Championatswertung wie auch in der Klasse E3 liegt der mehrfache Saisonsieger Luca Fischeder klar an der Tabellenspitze und möchte sein Motorsport-Jahr 2022 möglichst mit beiden Titeln abschließen.
Trotz der Ernüchterung in Zschopau zog Luca Fischeder ein positives Saisonfazit: „Das Jahr lief insgesamt gut und ich habe das erreicht, was ich erreichen wollte. Ich stand mehrmals auf dem Podest und konnte sogar einen Weltmeisterschaftslauf in meiner Klasse gewinnen. Ich hätte das gern hier wiederholt. Mit Platz fünf in der Abschlusswertung der Junior 1 habe ich mein Saisonziel trotzdem erreicht.“
Während Luca Fischeder bereits sein zweites Jahr in der Junioren-WM bestritt und nächstes Jahr zu den „big Boys“ aufsteigen wird, gab der im Sommer dieses Jahres von der Motocross-WM zum zunächst nationalen Enduro-Sport konvertierte Jeremy Sydow bei „Rund um Zschopau“ sein WM-Debüt. Vor allem im Extremtest tat sich der 22-jährige Chemnitzer anfangs noch etwas schwer, doch beim ersten Endurotest ließ er mit der viertschnellsten Zeit aller Junioren respektive der drittschnellsten der Junior-1-Fahrer ein erstes Mal aufhorchen. Im anschließenden Crosstest setzte er sogar noch einen drauf und verbesserte sich jeweils um einen Platz.
So ging es bei Jeremy Sydow im Wesentlichen weiter. Im Extremtest verlor er meist etwas, im Endurotest war er gut bei der Musik und auf dem Crosstest gehörte er zu den tonangebenden Piloten. Sein vorläufiges Meisterstück lieferte er auch gleich am ersten Tag, indem er auf dem drittletzten Test, natürlich dem Crosstest, die absolut schnellste Zeit aller Junioren aufs schlüpfrige Geläuf zauberte. Mit dieser hätte er „Overall“ Platz fünf belegt. Am Ende standen für ihn Platz sechs der Junior 1 sowie Rang 17 in der Junioren-Scratchwertung zu Buche.
Am zweiten Fahrtag zeigte Jeremy Sydows Lernkurve weiter steil nach oben. Wiederum auf dem Crosstest knallte er eine Zeit hin, die nicht nur acht Sekunden schneller war als die des zweitschnellsten Juniors, sondern sogar nur 0,39 Sekunden über der Gesamtbestzeit von Josep Garcia, des Gesamtsieger beider Finaltage, lag. Das fast gleiche Kunststück gelang ihm später noch einmal, womit er seinen Grundspeed eindeutig unter Beweis gestellt hatte. Fast noch wichtiger für seinen weiteren Werdegang dürfte aber gewesen sein, dass er sich auch auf dem Extremtest von einem auf den anderen Tag deutlich steigern konnte. So landete er diesmal auf den Plätzen fünf in der Junior 1 sowie 13 in der Junior-Gesamtwertung. Natürlich war er anschließend voller Freude, was er zunächst so zum Ausdruck brachte: „Das war echt toll und hat riesig Spaß gemacht. Die Fans standen überall und haben mich angefeuert. Das war echt ein cooles Gefühl und manchmal Gänsehaut.“
Das Erlebnis hätte allerdings auch etwas kürzer geraten können, wozu Jeremy Sydow im Ziel des zweiten Tages erklärte: „Ich war schon kurz davor, aufzuhören, denn gestern habe ich mir den Daumen an einem Holzpfahl ziemlich stark angeschlagen und bin auch einmal im Extremtest ganz schön abgegangen. Dabei habe ich mir den Arm und auch das Bein aufgeschlagen. Ich habe dann eine Schmerztablette genommen und mich durchgebissen. Am Ende habe ich noch ein paar ganz gute Zeiten rausgehauen. Das war echt cool.“
Zu seiner Performance insgesamt sagte Jeremy Sydow: „Dass ich mich vor allem am ersten Tag im Extremtest ein bisschen schwer getan habe, liegt natürlich in erster Linie daran, dass ich so etwas vorher noch nie gemacht habe. Dort habe ich immer viel Zeit verloren. Aber in den anderen beiden Prüfungen konnte ich ganz gute Zeiten, teilweise Bestzeiten, fahren. Die Crosstests sind beim Enduro allerdings auch nicht wirklich mit dem zu vergleichen, was ich bisher gemacht habe. Ich bin aber vor allem froh, dass ich den Extremtest dann zum Ende hin doch noch ganz gut hinbekommen habe. Das war auf jeden Fall eine gute Erfahrung auch für nächstes Jahr.“
Dahin richten sich allmählich auch die Blicke des Teamchefs Marcus Kehr, der jedoch zunächst die Veranstaltung lobte, an der er ebenfalls tatkräftig mitgewirkt hatte. „Rund um Zschopau war wieder ein Wahnsinns-Enduro-Fest. Mehr geht eigentlich nicht. Es war wieder einzigartig, was Deutschland, Sachsen und der MSC Rund um Zschopau mit seinen Partnerclubs auf die Beine gestellt hat. Wir haben großen Sport gesehen und die Fans waren erneut großartig“, meinte er zunächst.
Und weiter: „Der Sturz von Luca am Samstag kann einfach auch mal passieren. Wir haben ihm das Motorrad wieder hergerichtet und ihn motiviert, dass er wieder mit Freude da ran gehen konnte. Dann hat er sich aber seinen eh schon angeschlagenen Fuß noch einmal verdreht. Das war halt so, das müssen wir und er jetzt abhaken. So ist der Sport. Man kann alles im Vorfeld planen und dann läuft es doch anders. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass, auch wenn man das herunterspielen will, ein Heimrennen eine besondere mentale Anspannung mit sich bringt. Vor allem für so junge Fahrer. Wir können aber auch aus so einer Veranstaltung einiges Positives herausziehen. Was Luca am Freitagabend gezeigt hat, war sensationell und auch so lange er am Samstag wie auch am Sonntag im Rennen war, war seine Pace absolut okay. Jeremy hat uns mit guten Zeiten überrascht. Was noch nicht so gut gelaufen war, weiß er selbst. Man muss aber dazu sagen, dass er nicht in eineinhalb Monaten das lernen kann, wofür andere einige Jahre gebraucht haben. Wir haben gesehen, wie er sich auch hier wieder entwickelt hat und das nehmen wir mit, auch im Hinblick auf das Wintertraining und fürs nächste Jahr.“
Ebenfalls im Rahmen des Enduro-WM-Finales 2022 am Start waren in der offenen nationalen Klasse die beiden Nachwuchsfahrer des Teams Sherco Academy Deutschland, Florian Geisenhofer aus Rettenberg im Allgäu und Luca Wiesinger aus dem fränkischen Rohr. Während Florian Geisenhofer an beiden Tagen als starker Dritter aufs Podest fuhr, konnte Luca Wiesinger nach einem Technikdefekt am Samstag zumindest tags darauf als Vierter ebenfalls überzeugen. Der Zschopauer Michael Renner wurde in der Klasse Open Senior einmal Sechster und einmal Fünfter.
Text/Bild: Thorsten Horn